Eine hitzige Pro- und Contra-Diskussion
Beim Internationalen Symposium für Uroonkologie (ISUO24) im Dezember in Magdeburg fand eine denkwürdige Pro- und Contra-Diskussion zwischen zwei weltweit anerkannten Experten zu diesem Thema statt. Der Fall, der als Aufhänger diente, zeigte folgende Parameter: PSA 9 ng/ml, cT1c, ISUP 2 (52 % Cores mit High Grade).
Argumente gegen die Lymphadenektomie
Frau Prof. Dr. Derya Tilki aus der Martini-Klinik in Hamburg (gegen Lymphknotenentfernung) eröffnete mit einer Darstellung der aktuell gültigen EAU-Leitlinien, in denen die LAE zumindest nur noch bei High-Risk-Patienten empfohlen wird. Diese Empfehlung basiert auf einem systematischen Review der Guideline-Gruppe, in dem kein Überlebensvorteil, aber eine hohe Komplikationsrate festgestellt wurde. In Zeiten der PSMA-PET-CT bestehen heute andere Möglichkeiten der Diagnostik. Bei Hochrisiko-Karzinomen gibt es eine randomisierte Studie, die einen Trend zu einem verbesserten biochemisch rezidivfreien (BCR) Überleben zeigte (Touijer K et al. Eur Urol 2024), eine andere, etwas größere Studie konnte dies allerdings nicht nachweisen (Lestingi Eur Urol 2020). Einigkeit besteht hingegen über die Möglichkeit von Schäden durch diesen Operationsschritt. Die moderne Bildgebung (PSMA-PET/CT) ist hochsensitiv. Eine große Studie (Yaxley J et al. BJUI 2019) zeigte, dass fast die Hälfte der PET-positiven Lymphknoten außerhalb des OP-Feldes gelegen hätten, also verfehlt worden wären. Tilki schloss, dass die LAE zu begraben sei.

Plädoyer für die Lymphadenektomie
Prof. Dr. Dr. Axel Heidenreich aus dem Uniklinikum Köln (für eine Lymphadenektomie bei allen) ging überwiegend auf die gleichen Studien ein, deutete sie aber völlig anders. Er unterstrich, dass falsch positive Befunde in der PET/CT zwar selten, falsch negative hingegen häufig seien. Eine Entfernung bzw. ein operatives Staging dieser mikrometastasierten Fälle bedeute insofern einen Benefit für die Betroffenen, weil heute adjuvante Behandlungsmöglichkeiten bestehen, die sehr wohl einen prognostischen Vorteil bieten (Tilki D et al. JCO 2019). Eine Lymphadenektomie habe insbesondere dann einen Vorteil, wenn sie erweitert durchgeführt werde.
Unklare Evidenz und offene Fragen
Mein eigenes Fazit ist, dass infolge der EAU-Leitlinienempfehlung die Lymphadenektomie derzeit ohnehin von vielen Operateuren verlassen wird. Es stehen noch Ergebnisse von wichtigen Studien aus, die weitere Klarheit bringen werden (z. B. SEAL-2), allerdings wird zu diesem Zeitpunkt bereits eine völlig andere Behandlungsrealität (ohne LAE) fest etabliert sein.

Über den Autor: Prof. Dr. Martin Schostak
Prof. Dr. med. Martin Schostak ist als wissenschaftlicher und medizinischer Leiter von LOGICURO Urologe mit umfassender Erfahrung im Bereich komplexer chirurgischer Eingriffe, fokaler Therapie sowie medikamentöser Tumortherapie. Als langjähriger Direktor der urologischen Klinik des Universitätsklinikums Magdeburg ist sein Anspruch, die Behandlungsmöglichkeiten immer auf den aktuellsten Stand der medizinischen Forschung abzustimmen.