Die Behandlungsmöglichkeiten für Prostatakrebs haben sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. Neben radikalen Therapieansätzen wie Operation oder Bestrahlung gibt es zunehmend schonendere Methoden, die gezielt nur den Tumor behandeln und das gesunde Gewebe weitestgehend schonen. Eine dieser innovativen Methoden ist die fokale Therapie (FT). Doch für welche Patienten ist sie wirklich geeignet?
Von der radikalen zur individualisierten Therapie
Früher standen vor allem zwei Optionen zur Wahl:
- Radikale Therapien wie die radikale Prostatektomie oder Strahlentherapie – mit oft erheblichen Nebenwirkungen.
- Active Surveillance (AS) oder Watchful Waiting (WW) – die Überwachung des Tumors ohne sofortige Behandlung.
Doch mit der steigenden Präzision diagnostischer Verfahren und besserem Verständnis der Tumorbiologie rückt ein individualisierter Ansatz in den Fokus: Die fokale Therapie.
Fokale Therapie – Keine experimentelle Methode mehr
Seit 2021 ist die fokale Therapie nicht mehr als „hoch experimentell“ eingestuft. Sie ist mittlerweile fester Bestandteil der S3-Leitlinie Prostatakarzinom (Langversion 7.0, 2024). Dennoch stellt sich die Frage: Für wen ist sie wirklich eine sinnvolle Option?
Erforderliche Präzision
Die fokale Therapie kommt nur dann in Frage, wenn:
✔ Alle diagnostischen Befunde übereinstimmen.
✔ Eine Referenzhistologie (Zweitmeinung der Gewebeprobe) vorliegt.
✔ Der Patient bereit ist, sich regelmäßigen Kontrollbiopsien zu unterziehen.
Indikationen für die fokale Therapie
👨 Sehr niedrige bis mittlere Risikogruppen (Very Low Risk – Intermediate Risk)
👨 Patienten mit lokal begrenztem Prostatakrebs
👨 Betroffene, die Nebenwirkungen wie Inkontinenz und Impotenz minimieren möchten
Wann ist die fokale Therapie nicht geeignet?
❌ Bei Patienten mit hochgradigem Prostatakrebs (High Risk)
❌ Wenn eine ausgedehnte Lymphknotenbeteiligung vorliegt
❌ Wenn der Tumor nicht genau lokalisiert werden kann
HIFU vs. radikale Prostatektomie – Neue Erkenntnisse
Eine vielversprechende Entwicklung ist die HIFI-Studie (Ploussard G, EAU 2024, Paris), die HIFU (Hochintensiver fokussierter Ultraschall) mit der radikalen Prostatektomie vergleicht. Die ersten Ergebnisse zeigen, dass die Lebensqualität nach fokaler Therapie besser erhalten bleibt, während die onkologischen Ergebnisse weiter untersucht werden.
Fazit: Ist die fokale Therapie die richtige Wahl?
Die Entscheidung für eine Therapieform hängt von vielen individuellen Faktoren ab. Die fokale Therapie ist kein Ersatz für Active Surveillance oder radikale Therapien, sondern eine Brücke zwischen diesen Extremen. Wer sich für diese Behandlungsoption interessiert, sollte sich umfassend von einem Experten beraten lassen.
Über den Autor: Prof. Dr. Martin Schostak
Prof. Dr. med. Martin Schostak ist als wissenschaftlicher und medizinischer Leiter von LOGICURO Urologe mit umfassender Erfahrung im Bereich komplexer chirurgischer Eingriffe, fokaler Therapie sowie medikamentöser Tumortherapie. Als langjähriger Direktor der urologischen Klinik des Universitätsklinikums Magdeburg ist sein Anspruch, die Behandlungsmöglichkeiten immer auf den aktuellsten Stand der medizinischen Forschung abzustimmen.